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Wärmebrücken
- Was ist zulässig?
Wärmebrücken sind
Teilflächen der Gebäudehülle mit erhöhtem Wärmedurchgang. Wärmebrücken
werden oft gleichgesetzt mit schlechter Bauweise. Dies ist eine zu grosse
Vereinfachung, denn es gibt bei genauer Betrachtung keine wärmebrückenfreien
Gebäude. Im vorliegenden Artikel wird ein Verfahren vorgestellt, das jedem
Hausbesitzer erlaubt herauszufinden, wo bei seiner Liegenschaft die Grenzen
zwischen Zulässigen und unzulässigen Wärmebrücken liegen und wie in seiner
Liegenschaft gelüftet werden muss, um Schimmelpilze an den Wärmebrücken zu
vermeiden.
Es wird vorausgesetzt, dass die Liegenschaft nach den Regeln der Baukunde
erstellt wurde und insbesondere die Mindestanforderungen an den Wärmeschutz erfüllt.
Unterschiedliche
Anforderungen
In der Norm SIA 180, Ausgabe 1988, „Winterlicher Wärmeschutz im Hochbau“
werden Anforderungen an eine Wärmebrücke definiert. Die Oberflächentemperatur
einer Wärmebrücke darf bei einer bestimmten Aussentemperatur nicht unter 9,3
°C absinken. Die Innentemperatur wird bei dieser Forderung mit 20 ° C
angenommen. Für ein Gebäude in Zürich wird beispielsweise gefordert, dass die
Oberflächentemperatur einer Wärmebrücke bei - 14 °C Aussentemperatur nicht
unter 9,3 °C liegen darf. In St. Moritz sind die Anforderungen strenger. Die Wärmebrücke
muss bei - 20 °C Aussentemperatur noch mindestens 9,3 °C warm sein. In Lugano
sind die Anforderungen weniger streng usw. Die Anforderungen an eine Wärmebrücke
sind also vom Standort der Liegenschaft abhängig. Dies ist angesichts der
grossen klimatischen Unterschiede sinnvoll. Die Regelung gilt für Bauten, die
nach Inkrafttreten der Norm SIA 180 im Jahre 1988, erstellt wurden.
Die Tabelle 1 wurde dieser Norm entnommen. Sie gibt für
rund 160 Orte der Schweiz an, bei welcher Aussentemperatur die Wärmebrücke
mindestens 9,3 °C warm sein muss. Für fehlende Orte kann der nächstgelegene
Standort übernommen werden. Allfällige Abweichungen in der Höhenlage sind
jedoch mit 0,5 °C pro 100 m Höhenunterschied zu korrigieren.
Bauphysikalische Überlegungen
Bei konstanter Raumtemperatur und konstanten inneren und äusseren Wärmeübergangskoeffizienten,
liegen die Temperaturen der Wärmebrücke auf einer Geraden, die mit steigender
Aussentemperatur ansteigt. Ein Punkt dieser Geraden ist durch Tabelle 1 für
jedes Gebäude aufgrund seines Standorts definiert. Wenn ein weiterer Punkt
bekannt ist, kann die „Temperaturgerade“ der Wärmebrücke gezogen werden.
Der
zweite Punkt kann berechnet, oder durch eine einfache Überlegung erhalten
werden. Wenn die Raumlufttemperatur 20 °C beträgt und die Aussenlufttemperatur
ebenfalls 20 °C, dann muss auch die Wärmebrücke 20 °C sein.
Grafische Lösung
Wie warm muss eine Wärmebrücke
sein, damit sie den Regeln der Baukunde genügt und welche zulässige
Luftfeuchtigkeit ergibt sich daraus für einen Innenraum? Diese Frage kann mit
Hilfe des Diagramms Nr. 1 unter Einbeziehung der Anforderungen der Tabelle 1
beantwortet werden.
Das Diagramm zeigt am unteren Rand die
Aussentemperatur, aufgetragen von - 20 °C in der linken Ecke bis zu + 20 °C in
der rechten Ecke. Am linken Rand ist die Oberflächentemperatur der Wärmebrücke
angegeben.
Sie beginnt in der unteren linken Ecke mit 0 °C und
steigt in senkrechter Richtung bis + 20 °C an. Der rechte Rand zeigt die
maximal zulässige relative Luftfeuchtigkeit im Gebäudeinnern, die zur
Vermeidung von Schimmelpilzen auf der Wämebrücke längerfristig nicht überschritten
werden darf. Längerfristig bedeutet in diesem Fall rund drei tage und mehr. Die
Skala wurde basierend auf der Erfahrung berechnet, dass die relative Luftfeuchte
bei einer Wärmebrücke lokal auf mindestens 85 % ansteigen muss, um einen
Schimmelpilzwachstum zu ermöglichen.
Etwa
in der Mitte des Diagramms Nr. 1 befindet sich eine dicke, waagrechte Linie. Sie
markiert die Oberflächentemperatur der Wärmebrücke von 9,3 °C, die bei den
Aussentemperaturen gemäss Tabelle 1 nicht unterschritten werden darf. In der
oberen rechten Ecke des Diagramms ist ein mit A bezeichneter Punkt erkennbar. Es
ist jeder Punkt der „Temperaturgeraden“ der Wärmebrücke, der sich bei
einer Aussentemperatur von + 20 °C ergibt. Alle Informationen, die mit der
grafischen Methode gewonnen werden, gelten für die „normale“
Innentemperatur von + 20 °C.
Das Diagramm Nr. 2 zeigt eine einfache Anwendung der
Methode. Für ein Wohnhaus in Zürich soll für eine gerade noch zulässige Wärmebrücke
die „Temperaturgerade“ (gestrichelte Linie) konstruiert werden. Zur Lösung
erfolgt der Einstieg am unteren Rand bei der für Zürich massgebenden
Aussentemperatur von - 14 °C. Dort wird nach oben eine vertikale Linie gezogen,
welche die 9,3 °C-Horizontale im Punkt B schneidet. Punkt B ist der für Zürich
ortspezifische Punkt der „Temperaturgeraden“, welche durch die Verbindung
der Punkte A und B erstellt wird.
Sobald die „Temperaturgerade“ für eine Liegenschaft gezeichnet ist,
können die gewünschten Informationen bezüglich der minimalen Oberflächentemperatur
der Wärmebrücke und der maximal zulässigen Luftfeuchtigkeit abgelesen werden.
Dies ist im Diagramm Nr. 2 durch die Pfeile exemplarisch gezeigt. Beispielsweise
ist ersichtlich, dass bei einer Aussentemperatur von -5 °C
die Wärmebrücke mindestens 12,1 °C warm sein muss. Wenn sie kälter
ist, muss sie als unzulässig beurteilt werden. Achtung:
Temperaturmessungen an Wärmebrücken erfordern einen Fachmann!
Für eine Aussentemperatur von 0 °C ist abzulesen, dass die relative
Luftfeuchtigkeit im Gebäude maximal 57 % betragen darf. Wenn sie längere Zeit
höher ist, besteht Schimmelpilzgefahr für die Wärmebrücke.
Das Diagramm Nr. 3 zeigt eine weitere
Anwendung. für eine Liegenschaft in Genf (massgebende Aussentemperatur nach
Tabelle 1 von - 10 °C) soll für den Herbst und den Winter der zulässige
Feuchtigkeitsbereich im Gebäudeinnern ermittelt werden. Ergebnis: im Herbst
soll die relative Luftfeuchtigkeit zwischen 55 und 60 % liegen, im Winter im
Bereich von 45 %. Die Ermittlung solcher Richtwerte ist in der Praxis zur
Vermeidung von Feuchteschäden sehr nützlich. Jeder Hausbesitzer ist mit der
vorgestellten Methode in der Lage, für seine Liegenschaft individuell solche
Richtwerte zu erarbeiten und mit einem Qualitäts-Hygrometer zu überwachen.
Sonderfall Altbauten
Für Gebäude, die vor dem Jahre 1988
erstellt wurden, gilt die Empfehlung SIA 180, Ausgabe 1970. Dort sind die
Anforderungen an Wärmebrücken weniger genau definiert und beschränken sich
auf die Gebäudeecke, welche eine sogenannte geometrische Wärmebrücke
darstellt. Aus der Empfehlung SIA 180 kann für Altbauten die im Diagramm Nr. 4
gestrichelt dargestellte minimale Temperaturkurve abgeleitet werden. Diese Kurve
gilt gesamtschweizerisch für Altbauten, unabhängig vom Standort. Das
vorgestellte grafische verfahren kann auch für Altbauten angewendet werden. Das
Diagramm Nr. 4 zeigt dies am Beispiel des zulässigen Feuchtigkeitsbereichs in
Altbauten im Herbst und in einem mässig kalten Winter. Für den Herbst
resultieren Werte zwischen 50 und 55 % relativer Feuchte, für den Winter Werte
um 45 %.
Zusammenfassung
Es wurde ein grafisches Verfahren vorgestellt, mit dem, bei Alt-
und Neubauten mit Mindestwärmeschutz gemäss den
SIA-Normen, der Temperaturverlauf einer gerade noch zulässigen Wärmebrücke
ermittelt werden kann. Es wurde aufgezeigt, wie für solche Alt- und Neubauten
die maximal zulässige Luftfeuchtigkeit zur Vermeidung von Schimmelpilzwachstum
bestimmt werden kann. Für Gebäude, deren Wärmebrücken über den
Anforderungen des Mindestwärmeschutzes liegen (z.B. Holzhäuser) liegt die zulässige
Luftfeuchtigkeit entsprechend höher. Dort wird normalerweise die
Kondenswasserbildung auf den Fensterscheiben zum wichtigsten Kriterium. Für die
Hausbesitzer ist es wichtig zu wissen, dass die zulässige Feuchtigkeit mit
sinkender Aussentemperatur abnimmt. Oft wird auch übersehen, dass die Wärmebrücke
als schwächstes Glied die zulässige Feuchtigkeit bestimmt, und nicht der
k-Wert, welcher vor allem für die Heizkosten wichtig ist.
Altbauten sind erfahrungsgemäss vor allem im Herbst
schimmelpilzgefährdet. Der Grund wird anhand des Diagramms Nr. 4 deutlich. Ohne
frühzeitigen Heizbeginn ist es bei Altbauten fast unmöglich, im Herbst auf die
geforderten Feuchtigkeitswerte von 50 bis 55 % relativer Feuchte zu kommen.
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